Wenn das Familientrauma vererbt wird
Heute kann ich nachvollziehen, dass die Unsicherheiten, die meine Kindheit prägten, einer Wesensanlage in meinem Kosmogramm und transgenerativen Schicksalsübertragungen aus Familienkonstellationen entstammen und viele andere Aspekte hier mit hineinwirken. Weil wir als Kind diese Anlagen noch nicht selbst leben können, erfahren wir dies unweigerlich in erster Linie über unsere Eltern und aus der näheren Umgebung. Der Sinn liegt darin, all diese Wesenskräfte zu erkennen, zu integrieren und in einer konstruktiven Art und Weise später im Leben einzusetzen. Dieses Buch gibt dir Einblicke in deine eigenen transgenerativen Übertragungsmuster und lässt dich viele Schwierigkeiten in deinen Leben besser verstehen.
– Himmelsbach, Barbara. Blutmond über Borneo: Eine transgenerative Reise durch den Dschungel
Kennst du das Gefühl, dass du manchmal auf bestimmte Themen besonders sensibel reagierst, obwohl du nie etwas Schlimmes damit erlebt hast? Oder hast du dich schon einmal erwischt, wie du in manchen Situationen genauso handelst wie deine Mutter oder dein Vater? Vielleicht findest du dich in der gleichen Situation wie deine Tante oder dein Onkel wieder? Diese interessanten Phänomene sind Teil einer faszinierenden Welt der transgenerativen Übertragungsmuster. Familien sind komplexe soziale Gebilde, die weit mehr als nur Gene vererben. Sie geben auch Verhaltensweisen, Überzeugungen und sogar emotionale Reaktionen von einer Generation zur nächsten weiter. Diese unsichtbaren Fäden, die sich durch die Geschichte unserer Familie ziehen, werden als transgenerative Übertragungsmuster bezeichnet.
Was sind transgenerative Übertragungsmuster?
Transgenerative Übertragungsmuster sind Verhaltens- und Beziehungsmuster, die über Generationen hinweg innerhalb einer Familie oder sozialen Gruppe wiederkehren. Sie sind wie unsichtbare Skripte, die von einer Generation auf die nächste übertragen werden, oft ohne, dass die Beteiligten sich dessen bewusst sind.
Welche Übertragungsmuster gibt es?
Hier einige Beispiele:
Kommunikationsmuster: In einigen Familien wird Konfliktvermeidung zur Norm. Diese Konfliktvermeidungsmuster entstehen oft in den Generationen vor uns, als Selbstschutz vor der Auswirkung von schwerwiegenden nicht verarbeiteten Schicksalsschlägen. Konflikte werden unterdrückt oder vermieden, was zu einer mangelnden Fähigkeit führen kann, Konflikte in gesunden Beziehungen anzugehen. Dadurch können Beziehungen belastet werden und es kann zu einer negativen Atmosphäre kommen. Wenn Familien über Generationen nicht in der Lage sind, Konflikte konstruktiv anzugehen und zu lösen, können sich Konflikte in späteren Generationen weiter verschärfen, eskalieren oder sich in unangemessener Aggression zeigen. Aber auch körperliche Erkrankungen, wie zum Beispiel Leber-, Galle-, Nieren- oder Magenbeschwerden sowie Stress, Frustration und emotionale Belastung herbeiführen. Solche ungelösten Konflikte über Generationen können aber auch zu Unfähigkeit der Zusammenarbeit und Effektivität in Teams oder Organisationen und zu einer geringeren Produktivität und einem schlechteren Arbeitsklima führen.
Rollenmuster: Traditionelle Geschlechterrollen können sich über Generationen hinweg erstrecken und haben nach einer Studie auch heute, in unserer emanzipierten Welt noch Wirkung. Frauen aus Familien in denen über Generationen die traditionellen, klischeehaften Rollenmuster gelebt und transgenerativ weiter gegeben wurden und die Eigenständigkeit von Frauen unterdrückt wurde, übernehmen nach einer Studie auch heute noch bestimmte klischeehafte Aufgaben und haben oft nicht den Mut souverän, selbstbestimmt und autark in der Gesellschaft aufzutreten. Männer übernehmen oft reflexartig überwiegend, die über Generationen eingeprägten Aufgaben, wie zum Beispiel Reparaturen, Handwerken und Finanzen, in der Familie. Diese Muster werden bei aller Anstrengung zur Gleichberechtigung oft unbewusst fortgeführt.
Emotionale Muster: Wenn in Familien alte, oftmals verdrängte Gefühle, Affekte Erwartungen, insbesondere Rollenerwartungen, Wünsche und Befürchtungen aus der Kindheit verdrängt werden können diese bei bestimmten Auslösungen unbewusst auf neue soziale Beziehungen übertragen oder reaktiviert werden. Dieser Vorgang ist zunächst normal, kann aber, wenn die verdrängten Gefühle sich gegenüber tatsächlichen gegenwärtigen Beziehungen als nicht angemessen erweisen, unbewusst zu sich wiederholenden zu großen Problemen führen.
Vererbte Traumata: Traumatische Erfahrungen oder nicht verarbeitete Schicksalsschläge aus früheren Generationen können die nächsten Generationen beeinflussen. Dies wird als transgeneratives Trauma bezeichnet und kann zu emotionalen und psychologischen Problemen führen. Oft haben wir mit psychischen Problemen zu kämpfen und diese hindern uns daran unser eigenes Leben zu entfalten. Zahlreiche Ängste, Unsicherheiten. Wutgefühle und Vermeidungsstrategien sich einzulassen gehören meist nicht zu unserem Leben. Diese Probleme stammen sehr oft aus Traumen in der DNA unserer Vorfahren, die das intensive Stress-Erlebnis molekular auf die Generationen danach übertragen. Das nennt man dann transgenerationale Epigenetik. “ Eine Studie zum Hungerwinter nach Kriegsende macht zum Beispiel deutlich, wie sich das Trauma einer ganzen Gesellschaft in der DNA wieder findet.
Laut dem SWR gehen Forscher davon aus, dass 60 Prozent der Kinder und Enkelkinder aus dem Zweiten Weltkrieg traumatisiert sind. Diese Traumata sollen zum Teil an die nachfolgenden Generationen weitervererbt worden sein. Diese Generationen können dann im Leben oft nicht wirklich Fuß fassen.
Warum ist das Erkennen transgenerativer Übertragungsmuster so wichtig?
Das Erkennen von transgenerativer Übertragung ist von großer Bedeutung, da es uns ermöglicht, die Auswirkungen vergangener Generationen auf unser gegenwärtiges Verhalten und unsere psychische Gesundheit zu verstehen. Transgenerative Übertragung bezieht sich auf die Weitergabe von unbewussten Mustern, Traumata oder Konflikten von einer Generation zur nächsten. Sie sind nicht nur auf Verhaltensweisen und Emotionen beschränkt, sie können auch körperliche Schmerzen und Krankheiten beeinflussen. Forschungen zur epigenetischen Vererbung zeigen, dass traumatische Erfahrungen die Genaktivität beeinflussen können und damit das Risiko für psychische Gesundheitsprobleme und Krankheiten erhöhen.
Die Identifizierung und Wahrnehmung dieser Muster ermöglicht einen 1. Schritt, um destruktive Verhaltens- und Beziehungsmuster zu verändern. Ohne Verständnis zu diesem Thema könnten wir unbewusst die gleichen Fehler wiederholen oder immer wieder an dieselben Grenzen im Leben stoßen, die in unserer Familiengeschichte verborgen liegen. Durch eine emotionale Auseinandersetzung mit der Familiengeschichte und den Lebensumständen der Ahnen können diese Muster aufgedeckt und verarbeitet werden. Die Auseinandersetzung mit transgenerativen Traumata hat in jedem Fall einen positiven Einfluss auf unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und die Selbstbestimmung im Leben. Dies verdeutlicht, wie Körper und Geist eng miteinander verknüpft sind.
Hier noch einige Gründe, warum das Erkennen transgenerativer Übertragung so wichtig ist:
- Selbstreflexion und persönliches Wachstum: Indem wir uns bewusst werden, welche Muster und Verhaltensweisen wir von unseren Vorfahren übernommen haben, können wir uns selbst besser verstehen und anfangen, uns von negativen Mustern zu lösen. Dies ermöglicht uns persönliches Wachstum und bewusstere Entscheidungen zu treffen.
- Verständnis für familiäre Dynamiken: Das Erkennen transgenerativer Übertragung hilft uns, die familiären Dynamiken und Beziehungen besser zu verstehen. Wir können erkennen, warum bestimmte Konflikte oder Muster in unserer Familie immer wieder auftreten und wie sie mit vergangenen Erfahrungen und Traumata zusammenhängen.
- Heilung von Traumata: Oft werden Traumata und ungelöste Konflikte von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Indem wir uns der transgenerativen Übertragung bewusst werden, können wir beginnen, diese Traumata zu erkennen und zu verändern. Dies kann zu einer Verbesserung unserer psychischen Gesundheit und unserem Wohlbefinden führen.
- Verantwortung für zukünftige Generationen: Indem wir uns mit transgenerativer Übertragung auseinandersetzen, können wir die Verantwortung übernehmen, diese Muster nicht an zukünftige Generationen weiterzugeben. Wir können bewusstere Entscheidungen treffen und uns bemühen, gesündere Beziehungen und Familienstrukturen zu schaffen.
Insgesamt ist das Erkennen, Integrieren und das anschließende bewusste und prozessorientierte Bearbeiten von transgenerativer Übertragung wichtig, um uns selbst besser zu verstehen, familiäre Dynamiken zu erkennen, Traumata zu heilen und Verantwortung für zukünftige Generationen zu übernehmen. Es ermöglicht uns, bewusstere Entscheidungen zu treffen und ein erfüllteres und erfolgreiches Leben zu führen.
Wie kann man transgenerative Übertragungsmuster durchbrechen?
Transgenerative Übertragungsmuster sind intensive und meistens sehr verborgene Muster, die aus der Ahnengeschichte heraus den Alltag beeinflussen. Aufstellungs-Seminare mit persönlichen Kosmogrammen ermöglichen es, die archetypischen Verhaltensweisen der Ahnen sichtbar und anschaulich zu machen. Dadurch entwickelt sich ein tieferes Verständnis für die traumatischen Erfahrungen und Schicksalsschläge von früheren Generationen. Diese Wahrnehmung und persönliche Entwicklung ermöglichen es, traumatische Aspekte zu integrieren, die eigenen Verhaltensmuster konstruktiv zu verändern und selbstbestimmter im Leben zu stehen.
Wenn du dich für ein Aufstellungs-Seminar interessierst oder persönliche Fragen zu diesem Thema hast, melde dich gerne über mein Kontaktformular oder unter praxis@himmelsbach.at. Ich freue mich über den Austausch zu diesem spannenden Thema und ein persönliches Kennenlernen in einem meiner Seminare!
Erfahre mehr über mich auf